Meine heutige Zeitreise führt in die Geschichte des Brettlegens als einer speziellen Hockeytechnik, die das Hallenhockey verändert hat. Brettlegen bedeutet, der Schläger liegt mit „langer Rückhand“ oder „langer Vorhand“ flach auf dem Boden!
Zu „meiner Zeit“, also in den 1950er, 60-er und 70-er Jahren gab es das Brettlegen in der heutigen Form nicht. Das hatte mehrere Gründe. Üblicherweise galt, dass der Hockeyschläger mit beiden Händen geführt werden sollte. Ich habe heute noch die Rufe meines von mir sehr geschätzten Trainers Felix Tesch von meinem damaligen Verein Lok Schwerin im Ohr: „Beide Hände!!!“ Daraus resultierte dann das nur angedeutete Vorhand-Brettlegen im oberen Foto der Fotocollage. Das Foto mag wohl aus den End 1950-er Jahren stammen.
Das einhändige Rückhandbrettlegen war völlig unbekannt. Ein Anspiel des Gegners über die linke Bande habe ich z.B. zu „meiner Zeit“ nicht versucht mit dem RH-brett zu unterbinden sondern mit dem VH-Brett. Zur Illustration habe ich das auf dem folgenden Foto nachstellen lassen.
Dass das RH-Brettlegen unbekannt war, hatte seinen Grund sicher nicht nur in dem nicht erwünschten einhändigen Spielens, sondern auch in der damaligen langen Hockeykufe, die ein flach gelegtes Rückhandbrett nicht ermöglichte.
1956 Ligaspiel Lok Dresden – Motor Niesky
Da ich mich nicht mehr genau erinnere, wann sich die Technik des gelegten RH-brettes etablierte, habe ich in alten DHZ (Deutsche Hockeyzeitung) geblättert und nachstehende Fotos gefunden. An diesen Fotos ist zu sehen, wie sich in der ersten Hälfte der 1980-er Jahre schrittweise aus der einhändigen Abwehr mit der „langen Rückhand“ das „Rückhand-Brettlegen“ entwickelte. Das obige Foto zeigt allerdings auch, dass die damalige lange Hockeykufe für ein RH-Brett nicht besonders geeignet war.
An der Technik des gelegten RH-Brettes lässt sich somit gut zeigen, welchen Einfluss die Anforderungen neuer Hockeytechniken, hier des Rückhandspiels, auf die Weiterentwicklung des Hockeyschlägers hatten. 1983 stellte der damalige Bundestrainer der Juniorennationalmannschaft, Paul Lissek, einen neu konzipierten Hallenhockeystock vor. Die kurze „J“ Kufe ermöglichte schnelles Rückhandspiel und Rückhandstoppen und in der Folge auch das Rückhandbrettlegen.
(An dieser Stelle ist eine Anmerkung von Roland Messinger aus Osternienburg angebracht, der mir am 24.3.2021 folgendes schrieb:
Hallo Frank,
bei der Gelegenheit habe ich mir mal deinen Bericht über das Brettlegen durchgelesen.
Dem kann ich leider in großen Teilen nicht zustimmen. Wie schon von mir berichtet, wurde in Osternienburg das Brettlegen bereits in den 60er Jahren revolutionär eingeführt. Einer (Heinrich Schmidt) erreichte mit dieser Technik nahezu Perfektion. Wir hatten in Osternienburg, sogar ich, ab Mitte der 60er fast alle indische Hockeyschläger mit relativ
kurzen Kufen, wodurch diese Technik leicht ausführbar war. Erfunden hat sie, soweit ich mich erinnern kann, mein Vater. Er ist sogar stolz drauf und wundert sich heute noch, dass diese Technik über Jahrzehnte von keinem anderen Verein in der DDR übernommen wurde. Du brauchst ihn nur auf das Thema zu bringen und er erzählt Dir unendliche Geschichten darüber. Gruß Roland)
Diese Anmerkung habe ich hier sehr gerne eingearbeitet. – s. auch Fußnote
Die Entwicklung ging dann später von der kurzen „J“-Kufe zur „U“- Kufe weiter, die die Technik „eingehängter“ Bälle ermöglichte (dazu mehr in der nächsten Folge).
Die Entwicklung der Hockeykufe, von der langen Kufe über die „J“-Kufe zur „U“-Kufe
1986 wird dann der Zig-Zag Schläger auf den Markt gebracht.
schräg gestelltes RH-Brett
Es lässt sich somit konstatieren, dass sich über einen langen Zeitraum pö a pö eine Technik herausbildete bei der die gesamte Schlägerfläche auf den Hallenboden gelegt und zur Spielfläche gemacht wurde. Dabei wurde durch das einhändige Brettlegen die Reichweise wesentlich vergrößert und damit die anspielbaren Räume für den Gegner eng gemacht Diese Entwicklung wurde hinsichtlich der Attraktivität des Hallenhockeyspiels immer wieder kritisch hinterfragt. So schrieb z.B. Alexandra Krause, Tochter des ehemaligen DHB-Präsidenten Michael Krause, in einem Artikel „Hallenhockey – Quo vadis“ anläßlich der Hallenhockey-WM 2012 in Leipzig: „Die kleinen Nationen stellten der Großen, … ein Bein. Wie war das möglich? Der Grund ist eine entscheidende Entwicklung in spieltaktischer und technischer Hinsicht … über Jahre hat sich die Technik herausgebildet, die gesamte Schlägerlänge auf den Hallenboden zu legen und zur Spielfläche zu machen. Das Ziel: Auf diese Weise sollen Kombinationsflüsse der gegnerischen Spieler unterbrochen werden. Ergebnis: Die technisch versierten Spieler finden immer weniger Lücken durch den ,,Bretterwald“ der ,,Brettleger“.
Diese Technik des Brettlegens verengt die Räume, engt das Kombinationsspiel ein und stellt Dribbelkünstler vor völlig neue Herausforderungen. So ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder nach Möglichkeiten gesucht wurde, das Regelwerk so zu ändern, dass die Nachteile des Brettlegens für den Kombinationsfluss aufgehoben werden. Ich erinnere mich noch gut daran, dass die DHB-Trainer um den damaligen Bundestrainer Paul Lissek im Dezember 1996 folgendes vorschlugen „ … sehen die DHB-Trainer dringenden Handlungsbedarf, um das „Drücke- und Rammspiel“ zu beenden“. Wir sehen deshalb die Notwendigkeit und die Chance im Rahmen der Deutschen Hallen-Endrunde der Herren in Hamburg am 1./und 2. März 1997 ein Demonstrationsspiel zu veranstalten, in dem wir neue Möglichkeiten durch Regelerweiterung ausprobieren wollen! … Die DHB-Trainer schlagen vor, das „Hochspielen des Balles“ für den Fall zu gestatten, wenn es sich um das „Überspielen von Rückhand- und vorhandbrettern“ handelt! … Das „Hochspielen des Balles“ über das „Brett“ ist nur in unmittelbarer Reichweite des Brettlegers erlaubt, das bedeutet nicht mehr als ein Meter vor bzw. hinter dem Brett!. (s. DHZ vom 6.12.1996). In Auswertung dieses Demonstrationsspieles (ich sah dieses Spiel damals) musste dann allerdings ziemlich einhellig festgestellt werden: „Das bringt nichts, zu gefährlich „ (DHZ vom 6.3.1997).
Immer mal wieder wurde auch in Erwägung gezogen, die Spielfläche durch Reduzierung der Anzahl der Feldspieler von fünf auf nur noch vier Spieler zu vergrößern. Mehr unfreiwillig konnte das in der Hallensaison 2013/14 in der Bundesliga erprobt werden. Wie kam es dazu? Der Welthockeyverband FIH führte, aus hier nicht näher dargelegten Überlegungen heraus, im Juli 2013 das Kleinfeldhockey Hockey5 im Feld- und im Hallenhockey ein. Mit dieser Neuregelung wurde vorübergehend auch im internationalen Hallenhockey die Spielerzahl von sechs auf fünf reduziert. Notgedrungen wurde in der Hallensaison 2013/14 im Bereich der Bundesliga dieses Format Hockey5 gespielt. Die von diesem oder jenem erhoffte Vergrößerung der Spielfläche wurde jedoch nicht erreicht. Warum? Auf dieses neue Format Hockey5 wurde sofort mit taktischen Gegenmaßnahmen reagiert. Die verteidigende Mannschaft spielte defensiv, zog sich tief an den eigenen Schusskreis zurück und die angreifende Mannschaft wechselte bei Angriff den Torwart gegen einen fünften Feldspieler aus. Die genutzte Spielfläche reduzierte sich dadurch auf die Hälfte, wie auf dem nachstehenden Foto (DHZ vom 13.02.14) zu sehen ist:
Der Vollständigkeit halber hier noch eine Zusammenfassung von Trainermeinungen zu diesem gescheiterten Experiment (s. DHZ vom 20.02.2014):
„ … Bei den Schwächen wird (durch die Bundesligatrainer) u. a. moniert (alles Originalzitate): Hockey5 ähnelt Handball, zu wenig Anspielmöglichkeiten; große Hektik; weniger Tempo, verteidigende Mannschaft steht fast immer sehr tief, zu häufige Torwart-Wechsel,… zu viele Tore ins leere Tor, …“
Nach dem Scheitern dieser Experimente (a) Überlupfen des gelegten Brettes und b) Hockey5) blieb aber immer noch die Tatsache, dass das mehr als unattraktive Drücke- und Rammspiel unterbunden werden musste. Das geschah durch eine Regeländerungen zur Hallensaison 2014/15, nach der das absichtliche Einklemmen des Balles zwischen zwei Schlägern oder an der Seitenbande einen Regelverstoß darstellt. Damit war zunächst das unattraktive Drücke- und Rammspiel (s. nachstehendes Foto) unterbunden.
In der darauf folgenden Hallensaison 2015/16 wurde dann ergänzend geregelt, dass „Gegenspieler eine Lücke in angemessener Breite lassen müssen, durch die der Ball gespielt werden kann.“ Damit soll ein ewiges Standspiel verhindert werden.
Abschließend noch ein kurzer Blick auf Verletzungsgefahren durch das Spiel am Boden. Durch das Vorhand-Brettlegen hatte ich immer unangenehme Schürfwunden an den Fingern. Dagegen half des Tapen der Finger. 1990 entwickelte Thomas Kille dann den „halben Handschuh“, der nicht nur einen Schutz gegen Schürfwunden sondern auch Prellungen bot.
Dieser Schutz war allerdings gegen scharf geschossene Bällen, namentlich gegen Schleuderbälle (dazu im nächsten Beitrag mehr), nicht ausreichend, so dass weiterhin nach individuellen Lösungen gesucht wurde und gepolstert getapt wurde.
Die hier sichtbare Marktlücke wurde dann durch die Entwicklung gepolsteter Handschuhe geschlossen.
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Fußnote:
Geschichte der Technik des „Brettlegens“ im Hockey
Roland Messinger – Osternienburger Hockeychronist und Zeitzeuge berichtet:
Vorbemerkung;
Im Februar 2019 hatte ich bei meinen Hockeyzeitreisen einen Blick auf die Geschichte des Brettlegens geworfen: Hockey – eine Zeitreise Teil XXI: Hallenhockey – das Brett wird gelegt | Rotation Prenzlauer Berg (rotationhockey.de)
Mein Intension war es u. a. den Einfluss der Entwicklung der Hockeykufe (von der langen Kufe zur kurzen „indischen Kufe“ und später der „J“ und der „U“ Kufe) auf die Entwicklung von Hockeytechniken sichtbar zu machen. Der Osternienburger Hockeychronist Roland Messinger sandte mir nun einen weiteren Baustein dieser Geschichte. Roland Messinger machte bei der nachfolgenden Geschichte auch darauf aufmerksam, dass ab Ende der 1960-er Anfang der 1970-er Jahre bereits die meisten Osternienburger Hockeyspieler mit der relativ kurzen indischen Hockeykufe spielten. Mit dieser kürzeren indischen Kufe wurde das Rückhand-Brettlegen möglich (wie übrigens auch andere Techniken, so dass Rückhandschlenzen. In Osternienburg war 1968 der indische Trainer Kishan Lal tätig, der das RH-Schlenzen mit der aufgestellten spitzen Kufe trainierte.)
Roland Messinger schreibt mir folgendes:
da die Geschichte mit dem Brettlegen offensichtlich heute noch interessiert, habe ich meinen Vater (Anmerkung von Frank Haustein: Ernst Messinger ist der „Vater“ der Osternienburger „Hockey-Leistungsschmiede“ vorhin noch einmal gefragt, wie er auf so eine abstruse Idee mit diesem Brettlegen kam. Er erzählte es so: Osternienburg musste damals (Anmerkung: Frank Haustein: „damals“ das war in der zweiten Hälfte der 1960-er Jahre) in Wittenberg auf dem dortigen Sandplatz gegen eine nicht besonders gute Mannschaft dieses Vereins spielen. Die Wittenberger hatten einen Libero der weder technisch noch spielerisch überdurchschnittlich begabt war. Er hatte aber eine ganz besondere Eigenheit. Bei gegnerischen Angriffen schmiss er sich ähnlich eines Torwarts vor die Osternienburger Stürmer, so dass für sie kein Verbeikommen war. Dabei lag der Schläger, mit dem er die Bälle abfing, in gerader Linie auf dem Boden, so dass er, egal wie die Stürmer es anstellten, stets den Ball mit der gesamten Längsseite seines Schlägers angeln konnte. Diese Beobachtung ließ meinem Vater im Nachhinein keine Ruhe. Fortan versuchte er daraus eine Technik zu entwickeln, die man in dieser Art und mit dem gleichen Effekt im Spiel anwenden kann.
Heinrich Schmidt … „Ihm“ brachte er jetzt bei, den Schläger blitzschnell herunterzulegen, wenn Stürmer an ihm vorbei kommen wollten. Er hatte wie kein anderer das Talent und die physischen Voraussetzungen dazu. Außerdem besaß er eine stoische Ruhe und Ausgeglichenheit. Heinrich übte sich diese Technik allein an einer Wand ein. Ich war selbst noch Augenzeuge. Manche Tage sah man nur ihn stundenlang auf dem Platz, um diese Technik bis zur Vollkommenheit auszufeilen. Nur wenige, ich möchte fast sagen keiner, beherrschte diese Technik am Ende so wie er. Er spielte in Osternienburg den Part im Mittelfeld, mit dem Effekt, dass so gut wie jeder Angriff der gegnerischen Mannschaft von ihm abgefangen wurde und die Stürmer aus dieser Situation heraus sofort zu Kontern ansetzen konnten.
Das war, wenn man so will, eines der Geheimrezepte der Osternienburger Spielweise und der daraus resultierenden Erfolge.
„Ein“ Spieler in Osternienburg mit ähnlichen Veranlagungen setzte das in noch perfekterer Ausführung nach der Wende fort. Das war Matthias Nagel, der dafür sogar die Länge seines Schlägers veränderte und somit eine unglaubliche Reichweite rechts, wie links erreichte.
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